Bericht (von Rolf)

Wie alles anfing

"I had a dream ..." vor ungefähr 2 Jahren. Würde ich es schaffen, mich für den Ironman Hawaii 2015 zu qualifizieren? In der AK 60 Altersgruppe sahen dafür die Chancen nicht schlecht aus. Ich wählte als Qualifizierungswettkampf den Ironman Lanzarote 2015 aus, der als sehr gute Vorbereitung für den doch anspruchsvollen Weltmeisterschaftswettkampf auf Hawaii bekannt war und bei dem ich als AK-Sieger mein Ticket gewann.

Hawaii 2015

Schon Monate vorher legten wir unsere Reiseziele fest, reservierten Unterkünfte, Flüge und Mietwagen.

Anpassungsphase

Eine gute Anpassung an die klimatischen Besonderheiten von Kona ist die wichtigste Voraussetzung, um die über Monate aufgebaute Form überhaupt abrufen zu können. Die Luftfeuchtigkeit ist hier sehr hoch und die Tagestemperaturen können in den Lavafeldern schnell die 40 Grad-Grenze erreichen. Um sich einigermaßen gut an diese tropischen Temperaturen anzupassen, sind wohl mindestens 1-2 Wochen notwendig, die wir dazu nutzten, einige andere Inseln wie Kaua'i und Maui zu besuchen. Allerdings sind dort die Temperaturen erheblich angenehmer als in Gebiet um Kona. Um diese Anpassung an die Hitze zu beschleunigen, haben wir auf alle Klimaanlagen verzichtet. Nur in den gut gekühlten öffentlichen Gebäuden (Supermärkte ...) mussten wir unsere warmen Sachen anziehen.
Die 12 Stunden Zeitverschiebung haben wir problemlos meistern können. Auf Hawaii wird es sehr früh dunkel und das Leben auf den Straßen kommt ziemlich schlagartig zur Ruhe. Von daher war es recht einfach, um 21 Uhr zu Bett zu gehen und morgens mit dem Sonnenaufgang um 6 Uhr aufzustehen.

Maui und Kaua'i

Der Besuch dieser 2 wunderschönen tropischen Inseln wollten wir uns nicht entgehen lassen und lenkte mich auch ein wenig von dem anstehenden Wettkampf ab.

Kona

Eine Woche vor Wettkampfbeginn trafen wir in Kona ein. Eine große Herausforderung in den ersten Tagen bestand darin, "nicht zu trainieren oder ganz leichte Einheiten zu absolvieren". Schon in der Nähe des Alii-Drives, wimmelte es nur so von Läufern und Radfahrern, zu jeder Tageszeit und bei größter Hitze. Ich hatte immer das Gefühl trainieren zu müssen. Aber eines war klar, der Körper war gerade während der ersten Tage durch die Hitze und die Zeitumstellung einem enormen Stress ausgesetzt, da macht es keinen Sinn, noch zusätzliche Trainingsreize zu setzen.

Schwimmtraining

Das Wichtigste in der Vorbereitungswoche war die tägliche Schwimmeinheit in der Kona Bay um 7 Uhr. Das frühe Schwimmen hat den Vorteil, bei wenig Seegang zu trainieren, da die Wellen im Laufe des Tages immer höher werden. Nach dem ersten Testschwimmen wurde mir klar, daßs eine gute Schwimmzeit im Wettkampf nicht zu erwarten ist. Die Orientierung und das weiter draußen doch unruhige Waßser machen alles ziemlich schwierig. Aufpaßsen mußs man auf die zahlreichen Schwimmer, die einem entgegenkommen. Erst am Wettkampftag wird die 2.te Boyenkette gesetzt. Zusammenstöße kommen recht häufig vor. Allerdings sorgte das 28°C warme Wasser und die vielen bunte Fische für viel Abwechslung.

Laufen

Das Laufen entlang des Alii-Drives ging hingegen gut. Abgesehen davon, daßs man sich immer im Straßenverkehr bewegen mußs, machte es Spaß, sich mit anderen auf der Wettkampfstrecke zu messen. Die meisten liefen aber in einem Wahnsinns-Tempo; eine gute Übung, sein eigenes Tempo zu finden. Ab 8 Uhr liegen die Temperaturen schon um die 30 Grad; später gehen sie am Alii-Drive mitunter auf ca. 35 Grad hoch. Länger als eine halbe Stunde wollte ich meinen Körper diesen Bedingungen nicht aussetzen.

Radfahren

Die Vorbereitung lief nicht optimal ab. Bei unserem Inselhopping konnte ich das Rad nicht mitnehmen, so dass ich nur 2 kurze Radtrainingseinheiten in der Wettkampfwoche machen konnte. Schon die erste Ausfahrt in Richtung Norden (Hawi) deutete an, was zu erwarten war. Kupiertes Gelände, heftige wechselnde Winde und der Backofen in dem riesigen Lavafeld.
Das Fahren auf dem Highway war kein Problem. In der Regel gibt es immer einen Seitenstreifen und zusätzliche Schilder "Caution, Ironman athletes in training".

Wohnen, essen ... in/ um Kona

Das Leben in Amerika ist durch die Euro-Schwäche teuer geworden. Hawaii ist aufgrund der Lebensmittelimporte vom Mainland noch teurer. So kosten 3 Liter filtriertes Wasser 4-5 Dollar, bei uns ca. 40 Cent. Vollkornbrote gibt es praktisch nicht, sondern nur die 500 Gramm-Labberbrote für 4 Dollar (und mehr). Wir haben uns gegen Hotels und für ein Appartement mit Kochgelegenheit ca. 8 km von Kona-Zentrum entschieden. Hier ist es sehr ruhig und relativ günstig zu leben. Mit dem Mietwagen ist Kona auch problemlos zu erreichen. Einen zentral gelegenen kostenlosen Parkplatz gibt es hinter Uncle Billy's Hotel.

Tag X vor dem Wettkampf — Rad-Check-in, Wettkampfbesprechung, Pasta-Party

Der Rad-Check-in war, wie der gesamte Wettkampf, perfekt organisiert. Für die knapp 2500 Athleten stand ein Herr von über 4000 Helfern zur Verfügung. Gleich am Anfang wird man von einem Betreuer begleitet, der alle Stationen genau erklärt. Auch während des Wettkampfes muss man sich keine Gedanken machen.

Die Wettkampfbesprechung habe ich leider versäumt, konnte aber alles nachlesen.

Die Pasta-Party fand unter freiem Himmel, hinter dem Marriot-Hotel, statt. Das Essen war erstaunlich gut und die Show sehr beeindruckend.

Der Wettkampf

Um 4:00 Uhr klingelte der Wecker. Schnell ein paar Nudeln mit T-Soße essen, einen Kaffee zum Wachwerden, noch einmal strecken und dann gleich ins Auto zu unserem Parkplatz in Kona. Nach 15 Minuten stand ich zum Bodymarking an. Dann das übliche Procedere. Eine Pumpe finden, Reifen aufpumpen, Trinkflaschen füllen und die Zeit bis zum Schwimmstart überbrücken. Beim Aufstehen hatte ich schon muskuläre Verspannungen und so nutzte ich die in der Wechselzone angebotene Notmassage.

Schwimmen

Pünktlich zum Startschuss befand ich mich in der hintersten Reihe der Schwimmer. Ich nahm mir vor, lieber langsam, ruhig und stressfrei zu schwimmen, als gleich Prügel zu beziehen. Das ging natürlich auf Kosten der Zeit. Der Wechsel verlief problemlos, war aber recht zeitintensiv.

Radfahren

Schon beim Aufsteigen aufs Rad fingen die Schmerzen im Rückenbereich an. Ich dachte erst, dass wird sich nach ein paar Kilometer legen, aber es wurde immer schlimmer. Die Aeroposition konnte ich so gut wie gar nicht einnehmen und die Motivation eine vernünftige Zeit zu fahren, sank mit der Tachonadel und den heftigen Winden zunehmend. Ein Blick auf mein Leistungsmessgerät zeigte an, dass ich im Schnitt nur mit 75 % meiner normalen Wettkampfleistung unterwegs war. Etwas lief hier ziemlich schief, so dass ich nun nicht mehr an eine gute Platzierung sondern nur noch ans Finischen dachte.

Die eintönige Landschaft, die fehlenden Zuschauer und der Gegenwind störten mich nur wenig. Kurz vor Hawi fing es heftig zu regnen an, aber in den Lavafeldern auf dem Rückweg waren die nassen Sachen sofort wieder trocken.

Keine Kurven oder Abzweigungen, machen die Wettkampfstrecke einfach, wenn nicht sogar langweilig. Aber so ist eben auf Big Island: geradeaus, dann geradeaus und dann wieder geradeaus!

Laufen

Nach der doch mäßigen Radzeit, stand der Lauf an. Der Wechsel war eine reine Katastrophe. Rückenschmerzen ohne Ende. "Etwas frustriert", aber nach einem Kilometer fand ich endlich meine alte und schmerzfreie Form wieder. Ab da war ich nur noch auf der Überholspur und meine Stimmung änderte sich schlagartig. Im Gegensatz zu anderen Langdistanzen wollte ich keine Verpflegungsstation auslassen. Bei jeder Station griff ich mir einen oder zwei Becher Iso oder Wasser. Bei jeder zweiten Gel, Banane oder Orange. Abkühlung gab es gelegentlich mit dem Wasserschlauch und Schwämme mit eiskaltem Wasser. Einmal schüttete ich mir Eiswürfel in meinen Wettkampfanzug, was aber zu viel des Guten war. Die Hitze schien mir nicht der leistungsbestimmende Faktor. Nach den ersten 10 Meilen in Kona und vielen Zuschauern, folgte dann die langweilige Einöde auf dem Highway in Richtung Energy Lab mitten durch die Lavafelder. Die zweispurige Autobahn wollte kein Ende nehmen!

Zum Glück hatte ich keine muskulären Probleme und konnte die gesamte Strecke im gleichen Tempo durchlaufen ohne irgendwelche nennenswerte Leistungseinbrüche.

Die Ankunft in Kailua war Emotion pur. Endlich wieder Menschen! Langsam realisierte ich, ich würde den Wettkampf schaffen, sogar innerhalb einer für mich akzeptablen Zeit. Alle Sorgen waren vergeßsen, ich genoßs die letzten Kilometer zutiefst. Die Freudentränen trockneten recht schnell in der heißen Luft. Endlich im Ziel, wenn auch mit schmerzverzehrtem Gesicht. 11 Stunden und 41 Minuten. Platz 10 in der AK 60. Ich war zufrieden. Die letzten Meter nach der Zielgeraden führten mich an Pommes- und Pizzatischen (Zielverpflegung!) vorbei direkt zum Massagezelt. Der (fast) angenehmste Teil des Wettkampfes brachte die ersehnte Entspannung.

Awardparty

Es empfiehlt sich, für Begleitpersonen die sehr teure Eintrittskarte erst vor Ort zu zahlen. Oftmals werden die überzähligen Karten auch an der Kasse verschenkt oder können günstig erworben werden. Die Veranstaltung läuft ähnlich ab wie die Pastaparty. Die Siegerehrung (bei den AKs die jeweils ersten 5) ist straff organisiert und zum Schluss durften die Gesamtsieger einen Vortrag halten. Pünktlich zum Vortragsende setzte ein tropischer Regen ein und beendete die open-air-Veranstaltung mit einem Dauerlauf zum Auto.